Steillagenweinberge: Biotope und Tourismus-Magnete
Der Weinbau in Steillagen ist ebenso herausfordernd wie faszinierend. Nach Angaben des Deutschen Weininstituts (DWI) prägen Weinberge an steilen Hängen auf rund 14.000 Hektar beziehungsweise 14 Prozent der bundesweiten Rebfläche das Landschaftsbild.
Besonders häufig findet man sie an den Hängen der Flusstäler, etwa von Rhein, Mosel, Neckar oder Main bis hin zum Elbtal in Sachsen. Auf das Anbaugebiet Mosel entfallen davon allein rund 3.500 Hektar, beachtliche Steillagenflächen gibt es auch in Baden - Württemberg.
Steillagen prägen nicht nur die Landschaften, sie sind Teil der Identität ganzer Weinbaugebiete. Sie fördern dadurch den Weintourismus, der ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor in den deutschen Weinregionen ist. Touristen, die entlang der steilen Rebhänge wandern, können sich kaum vorstellen, wie man darin arbeiten kann.
Steillagen prägen den Weingeschmack
Weinberge in Steillagen sind nicht nur sehr schön anzusehen, sie profitieren auch von einer intensiveren Sonneneinstrahlung insbesondere an den Südhängen. Und dieses besondere Terroir, also der Boden und die Lage mit ihren besonderen klimatischen Verhältnissen, kann von den Winzerinnen und Winzern im Wein schmeckbar gemacht werden. Denn der Wein ist ein geschmackliches Spiegelbild seiner Herkunft. Die Steilhänge prägen die Weine aufgrund ihrer Geografie in besonderem Maße. Aus diesem Grund dürfen die Weinerzeuger diese Weine auch mit der Angabe Steillagenwein oder Terrassenlagenwein auf dem Etikett vermarkten.
Wann wird ein Weinberg zur Steillage?
Im deutschen Weinrecht spricht man von einer Steillage, wenn ein Weinberg eine Hangneigung von mehr als 30 Prozent hat. Viele Weinberge sind noch deutlich steiler, wie etwa der "Bremmer Calmont" an der Mosel (Video), der mit 68 Grad Hangneigung als steilster Weinberg Europas gilt. Ihn kann man übrigens über einen Klettersteig erwandern. Zum Vergleich: die steilste Straße Deutschlands im hessischen Ranstadt-Dauernheim hat ein Gefälle von 29 Grad.
Geschützt: Biotop Steillage
Aufgrund des trockenen und warmen Kleinklimas bilden Steillagen wichtige Lebensräume für seltene oder geschützte Tiere und Pflanzen. Sie haben sich zum Teil über die Jahre an die weinbauliche Bewirtschaftung angepasst. So wurden bei einer Untersuchung von Teilen des Moseltals durch das Julius-Kühn-Institut zwischen 2012 und 2021 178 Arten von Wildbienen sowie 58 Arten von Tagfaltern gefunden.
Steillagenterrassen, die von Trockenmauern gestützt werden, stehen als ausgewiesene Biotope unter gesetzlichem Schutz. Dabei ist der Erhalt der Trockenmauern sehr arbeitsaufwendig und die Reparatur kostet über 1.000 Euro pro Quadratmeter. Im Anbaugebiet Württemberg stehen allein über 800 Hektar Weinberge in Steillagen, die mit Trockenmauern terrassiert sind.
Querterrassen fördern die Artenvielfalt und schaffen Arbeitserleichterung
Querterrassen in den Steillagen sind ebenfalls förderlich für die biologische Vielfalt in den Weinbergen. Die Anlage von Querterrassen geschieht oftmals im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren. Dabei werden befahrbare schmale Terrassen in den Steilhang geschoben. Die dadurch entstehenden Böschungen können begrünt werden und tragen so zu einer größeren Biodiversität in den Weinbergen bei. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass nach der Anlage von Querterrassen die Artenvielfalt und das Vorkommen von Tagfaltern und Insekten in den Weinbergen signifikant ansteigt.
Terrassierte Weinberge erleichtern eine maschinelle Bewirtschaftung und verhindert Bodenerosionen bei Starkregenereignissen, die in jüngster Zeit immer häufiger auftreten. Des Weiteren beugen querterrassierte Weinberge Unfällen vor, die leider immer wieder in den Steillagen passieren. Durch die Terrassierung steigt auch die Verdunstungsfläche der Böden, was in sehr trockenen Jahren problematisch sein kann und die Installation von Bewässerungssystemen erforderlich macht.
Steillagen sind arbeits- und kostenintensiv
Der Arbeitsaufwand in den steilen Weinbergen ist um ein Vielfaches höher als in Flachlagen. Während man für die Bearbeitung von einem Hektar Weinberg in der Ebene nur etwa 200 bis 250 Stunden benötigt, sind es in der Steillage je nach Mechanisierungsgrad 800 bis 1.600 Stunden.
Die Technik für Mechanisierungssysteme in den Steillagen hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Raupensysteme oder Traubenvollernter, die an einem Seilzug die steilen Hänge hinaufgezogen werden, erleichtern den Winzern die Arbeit ungemein. Das gilt auch für Zahnradbahnen, mit denen man Gerätschaften oder während der Lese die Trauben aus dem Weinberg befördern kann. Zum Pflanzenschutz sind neuerdings auch Drohnen zugelassen, die in einer Stunde einen ganzen Hektar sehr präzise behandeln können. Die Steillagentechnik hat jedoch auch ihren Preis: die Entstehungskosten für einen Liter Wein aus dem Steilhang, der mit einem Seilzug bearbeitet werden muss, sind etwa doppelt so hoch, wie für einen Liter Wein aus einer Flachlage.
Steillagenförderung
Um diesen Standortnachteil auszugleichen und so die landschaftsprägenden Weinbausteillagen zu erhalten, gibt es von der EU und den Bundesländern finanzielle Unterstützung für deren Bewirtschaftung oder Modernisierung. Diese Mittel gleichen jedoch den finanziellen Nachteil gegenüber dem Weinbau in der Ebene nur zu einem Teil aus. Der Bund unterstützt von 2022 bis 2026 außerdem Steillagenforschungsprojekte etwa zum Klimawandel, Pflanzenschutz oder zur Digitalisierung mit 1,5 Mio. €.
Herausforderung: Demografischer Wandel
Die Steillagen bewirtschaftenden Betriebe identifizieren sich sehr stark mit dieser besonderen Form des Weinbaus und stellen sie in der Außendarstellung deutlich heraus. Einige, vor allem junge Betriebsnachfolger legen gezielt neue Weinberge in der Steillage an, wenn sie dort das besondere Terroir und die damit verbundene Weinqualität der Steillage erkennen. Dafür werden teilweise verbuschte Flächen rekultiviert oder Weinberge von aufgebenden Betrieben übernommen.
Dennoch ist der demografische Wandel eine Herausforderung für den Erhalt der Steillagen. In Sachsen wurde im Februar 2023 vom Landwirtschaftsministerium eine Konzeption zum Erhalt des Weinbaus in Steillagen veröffentlicht, da dort die Anzahl der Klein- und Kleinstwinzer deutlich zurückgeht. In Sachsen bewirtschaften allerdings auch die meisten der knapp 1.500 Winzer die rund 500 Hektar Rebfläche des Anbaugebiets in ihrer Freizeit.
Ansprechpartner/in
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Florian Koch
DWI Schulungsleitung / DWI Training management