Ein Blick in die Anbaugebiete - Weinjahrgang 2024 mit kleinen Mengen und guten Qualitäten

15.11.24

Fruchtig, spritzig, mineralisch: Den Weinen des Jahrgangs 2024 wird man vermutlich nicht anmerken, wie viel Arbeit mit ihm verbunden waren.

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Denn es ist ein Jahrgang, der buchstäblich aus der Kälte kam: In sehr vielen Anbaugebieten hatte im April der Spätfrost junge Triebe geschädigt, die Verluste waren teils immens. Zwar bilden frostgeschädigte Reben in der Regel neue Triebe, doch sie sind bei weitem nicht so fruchtbar und führten zu verschiedenen Reifestadien der Trauben. Dies verkomplizierte die Lese nach einem Jahr, das von viel Regen, starkem Laubwachstum und intensivem Pflanzenschutz geprägt war. Für viele Winzerinnen und Winzer war es eines der arbeitsintensivsten Jahre überhaupt. Entschädigt wurden sie mit guten bis sehr guten Weinqualitäten.

Das Deutsche Weininstitut (DWI) hat sich informiert, wie sich der Weinjahrgang 2024 in den 13 deutschen Weinanbaugebieten entwickelt hat.

 

Ahr (531 ha)

Wenn die Qualität des Weines nicht wäre, würden viele Winzer an der Ahr den Jahrgang 2024 wohl am liebsten ausklammern. Wegen des Spätfrosts und einem hohen Infektionsdruck durch den Mehltau brach die Ernte in Deutschlands „Rotweinparadies“ im Vorjahresvergleich um 64 Prozent auf 15.000 Hektoliter ein. „Die Winzer, die im Ahrtal leben, haben so etwas noch nicht erlebt“, sagt der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Ahr, Dr. Knut Schubert. Selbst im Jahr der Ahr-Flut, unter deren Folgen die Region noch immer leidet, war mehr geerntet worden. Nun verursachte die Kälte in den Nächten vom 22. und 23. April vor allem in höheren, aber auch in tiefer gelegenen Lagen „mächtige Frostschäden“ an den Reben, die in ihrer Entwicklung im Schnitt 14 Tage voraus waren. Die Spanne reichte von Totalausfällen bis zu Verlusten um die 30 Prozent. Mit Frostkerzen hatten Winzer gegen die Kälte gekämpft, andere wollten den Reben mit Bewässerung einen schützenden Eismantel verpassen – aber ein flächendeckender Schutz sei in der von Steillagen geprägten Region so nicht möglich, sagt Schubert. Im nassen und wechselhaften Sommer zwang hoher Infektionsdruck die Winzer zu vermehrten Einsätzen. „Es gab nicht eine komplett trockene Woche“, so Schubert. Rehe und Wildschweine dezimierten teilweise die wenigen Trauben noch zusätzlich. Besonders dürftig fiel die Ernte bei frühen Sorten wie Frühburgunder aus. Der Spätburgunder, der auf etwa 80 Prozent der Fläche wächst, kam auf 35 Hektoliter pro Hektar, in guten Jahren sind hundert Hektoliter üblich. Besser schnitten die später gelesenen Sorten Grauburgunder, Chardonnay und Riesling ab. Und: „Die Qualität ist sehr gut“, so Schubert. Mitte September änderte sich das Wetter, und die erste Hälfte der vierwöchigen Hauptlese verlief sonnig und trocken, was sich auf die Qualität auswirkte – ebenso wie der reduzierte Behang an den Reben. Beim Spätburgunder wurde im Schnitt ein Mostgewicht von 86 Grad Oechsle registriert. „Der Jahrgang 2024 ist ein kleiner, feiner Wein“, sagt Hubert Pauly, Weinbaupräsident an der Ahr. Er habe die Voraussetzung für kraftvolle Tropfen mit frischer Fruchtsäure.

Baden (15.679 ha)

Auch Baden, das wärmste deutsche Weinbaugebiet, blieb von den Spätfrösten im April nicht verschont, allerdings schlugen diese unterschiedlich heftig zu. Betroffen waren vor allem Regionen in Mittel- und Nordbaden, vom Breisgau über die Ortenau „und dann – besonders dramatisch – im Kraichgau und in Tauberfranken“, so der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands, Holger Klein. Manche Betriebe hätten am Ende nur 30 Prozent eines normalen Jahrgangs einlagern können. Der Süden kam besser davon. So erlebte das Markgräflerland beim Ertrag „fast ein normales Jahr“. Der Gesamtertrag wird schätzungsweise 1,1 Millionen Hektoliter betragen und damit um 14 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres liegen. Dazu habe auch eine „schwierige Blüte“ beigetragen, in der es wegen Kälte zu Verrieselungen gekommen sei. Auch Mehltaukrankheiten forderten die Winzer, die mit Pflanzenschutz dagegenhielten, wegen des vielen Regens für die Ausbringung aber „den richtigen Zeitpunkt“ erwischen mussten. „Es war ein sehr intensives, arbeitsreiches Jahr“, sagt Klein. Vor allem für die ökologisch wirtschaftenden Betriebe sei es sehr stressig gewesen, weil die zugelassenen Mittel nicht so effektiv sind. Ende August kam die „glückliche Wendung“: Das Wetter zeigte sich länger sonnig und überwiegend trocken, was Klein zufolge „ein bisschen die Spannung aus dem Jahrgang“ nahm. Die Hauptlese begann – früher als nach dem vielen Regen erwartet – Mitte September. Die Qualitäten seien sehr gut, so Klein. „Wir werden Weine mit einer intensiven Fruchtausprägung haben“, denn trotz der frühen Lese sei es nachts kühl gewesen, was sich positiv auf die Ausprägung der Aromen ausgewirkt habe. „Und die Alkoholgehalte werden eher moderat ausfallen.“ Die Säurewerte seien etwas höher als in den heißen Jahren, aber immer noch sehr angenehm. Profitiert hätten vor allem die Burgundersorten, die auf Mostgewichte um die 90 Grad Oechsle kamen; späte Sorten wie Gutedel erreichten 75 bis 80 Grad.

Franken (6.173 ha)

Für die Winzer im Anbaugebiet Franken hielt das Jahr gleich mehrere Überraschungen parat – im Positiven wie im Negativen. Wie Christoph Ruck vom Weinbauring Franken e.V. berichtet, habe der Spätfrost vom April Reben geschädigt, deren Knospenaufbruch wegen des warmen Winters besonders früh erfolgt war. Einige Betriebe traf es hart: Sie mussten nach Angaben von Weinbaupräsident Artur Steinmann mit 20 Prozent einer normalen Ernte auskommen. Weil an manchen geschädigten Pflanzen die Beiaugen nach einiger Zeit austrieben, habe man – zum Teil sogar in einem Weinberg – „zwei Wachstumsstadien“ gehabt, was laut Ruck wegen des vielen Pflanzenschutzes, den die Winzer betreiben mussten, „am Anfang der Saison etwas schwierig war“. In der Folge lieferte die Natur einen eindrucksvollen Beweis für die Kraft der Rebe, denn zur Lese hin seien beide Generationen „fast wieder gleichauf“ gewesen, so der Experte. Er erklärte dies mit üppigen Niederschlägen und guten Temperaturen, vor allem der August sei „supergut“ gewesen. Allerdings hatten die Winzer wegen des Laubwachstums und der Pilzkrankheiten viel Mehrarbeit. Am besten sei der Silvaner mit dem Frost zurechtgekommen: Manche Betriebe hätten mit der fränkischen Leitrebsorte trotz Frostschäden 80 Hektoliter pro Hektar erzielt, im Schnitt waren es, wie beim Müller-Thurgau, 57 Hektoliter je Hektar. Bacchus kam auf 52, andere Sorten auf 40 Hektoliter pro Hektar. Insgesamt wurden schätzungsweise 341.000 Hektoliter Weinmost geerntet, 19 Prozent weniger als 2023. Ruck spricht dennoch von einem „ganz guten Ergebnis“, mit dem man angesichts der Umstände zufrieden sein könne. Das hat auch mit der Qualität zu tun. Die Trauben erlebten im warmen August noch einen Reifeschub, bevor der kühlere September die Aromareife förderte. Die Weine seien sehr angenehm, hätten eine superschöne Frucht sowie eine tolle Säure und Aromatik, bilanziert Ruck. „Was die Qualität angeht, wurden die Erwartungen übertroffen“, sagt Weinbaupräsident Steinmann. Der 2024er Wein könne „ein richtig schöner Jahrgang werden“. Da es 2022 und 2023 größere Erntemengen gegeben habe, sei das Ergebnis „leichter zu verkraften, sodass insgesamt kein Mangel an Wein in Franken entstehen dürfte“, so Steinmann.

Hessische Bergstraße (461 ha)

Spätfrost, Regen, Pflanzenschutz, Laubschnitt: Bis die Winzer im Anbaugebiet Hessische Bergstraße die Trauben dieses Jahres einbringen und sich über gute Aussichten freuen konnten, hatten sie jede Menge zu tun. Und nicht jedem war eine befriedigende Ernte vergönnt. Der Spätfrost im April traf vor allem die Bereiche Groß-Umstadt und Roßdorf, die als „Odenwälder Weininsel“ bekannt sind und die ein gutes Stück nordöstlich von den übrigen Weinstädten an der Bergstraße liegen. In der verheerenden Frostnacht seien im Bereich Groß-Umstadt teilweise 75 bis 80 Prozent der Reben geschädigt worden, sagt Johannes Bürkle, Vorstandsvorsitzender des Weinbauverbandes Hessische Bergstraße. An der Bergstraße selbst bekamen einzelne Weinberge etwas ab. Der Austrieb der Reben hatte bereits Anfang April und damit „sehr, sehr früh“ begonnen, was nicht nur wegen des Frosts ein Problem war, sondern auch wegen des häufigen Regens, „das waren einfach beste Voraussetzungen für den Falschen Mehltau“, so Bürkle. Früher als sonst und öfter musste deshalb Pflanzenschutz ausgebracht werden. Das im Regen kräftig gewachsene Laub musste häufiger geschnitten und rund um die Traubenzone häufiger entblättert werden, um sie frei und trocken zu bekommen. „Das war anspruchsvoll“, bilanziert Bürkle. Zum Lesestart Anfang September zeigte sich das Wetter für knapp drei Wochen von seiner freundlichen Seite, bevor der Regen zurückkam. Das Anbaugebiet, in dem der Riesling immer noch die Hauptrebsorte ist, musste im Vergleich zum Vorjahr eine sechs Prozent kleinere Ernte hinnehmen und kam auf 31.000 Hektoliter. Mit der Qualität zeigt Bürkle sich zufrieden – auch wenn die Weine erst noch fertig gären müssten. „Es wird auf jeden Fall wieder guten Wein geben“, sagt er. Die Weine enthielten vermutlich deutlich weniger Alkohol, sie seien leichter, denn die Reben hätte weniger Zucker produziert als sonst. Und: „Gerade was die Aromatik angeht, sind das sehr, sehr schöne Weine.“

Mittelrhein (460 ha)

Fans von Rieslingen aus dem Anbaugebiet Mittelrhein können sich auf den 2024er Jahrgang freuen. Der Geschäftsführer des dortigen Weinbauverbandes, Dr. Maximilian Hendgen, erwartet „fruchtige Weine mit einem guten Süße-Säure-Verhältnis, nicht zu hoch im Alkohol. Eigentlich das, was am Markt aktuell auch gut läuft.“ Vom Riesling, dem Aushängeschild des kleinsten deutschen Anbaugebiets, wird es wegen der April-Fröste aber weniger geben als sonst. Schätzungen zufolge liegt die Erntemenge mit 19.000 Hektolitern um 14 Prozent unter dem Ergebnis von 2023. Die Minusgrade hatten in der von Terrassen- und Steillagen geprägten Region die Höhenlagen der Seitentäler „ganz, ganz hart getroffen“ und mitunter Ausfälle bis zu 100 Prozent verursacht, wie Hendgen sagt. Die Steillagen mit Blick auf den Rhein hingegen hätten „eigentlich vielfach gar nichts gehabt“. Mai, Juni und Juli zeichneten sich durch häufige Regenfälle aus, die „ständig nahezu perfekte Infektionsbedingungen“ für den Falschen Mehltau boten und wegen Pflanzenwachstums und -schutz viel Arbeit erforderten. Andererseits kämen gerade die Schiefersteillagen am Mittelrhein mit solchen Bedingungen ganz gut zurecht, die Böden hätten wegen des hohen Steinanteils eine gute Drainagewirkung und erwärmten sich schnell wieder, so Hendgen. „Die Trauben, die das Frühjahr und den Sommer überleben, können in solchen Lagen wirklich hervorragende Ergebnisse liefern.“ Nachdem der August eine Trockenphase gebracht hatte, regnete es im September zwar wieder, aber weil die Trauben wegen einer verzettelten Blüte „lockerbeerig“ waren, gab es, anders als 2023, keine Fäulnisprobleme, und die Lese konnte ohne Stress vonstattengehen – bis im Oktober nochmals Regen kam. Der Riesling sei relativ gut mit der Nässe zurechtgekommen, sagt Hendgen. Man habe „etliche Meldungen über hervorragend ausgereifte, kerngesunde Rieslingtrauben gesehen“, mit einem Mostgewicht von 70 bis 85 Grad Oechsle. Bei den Burgundersorten, die auch auf 70 bis 85 Grad Oechsle kommen, sei die Menge moderat bis überschaubar. Die Bilanz: „Qualitativ sind die Winzer zufrieden“, so Hendgen, „mengenmäßig viele leider nicht so ganz.“

Mosel (8.536 ha)

Die kleinste Ernte der letzten 50 Jahre – mit so viel Aufwand wie nie zuvor: Diese Gleichung gehört zum Weinjahr im Anbaugebiet Mosel. Den Winzerinnen und Winzern machten nicht nur Spätfrost, Pilzkrankheiten und eine üppige Vegetation zu schaffen, bei ihnen kam auch noch Hagel dazu. Dass sie sich am Ende trotzdem freuen, hängt mit der Qualität der Ernte zusammen: goldgelbe und gesunde Trauben, die sich laut Moselwein e.V. durch herrliche Fruchtaromen auszeichnen. „Die Qualität ist gut, es ist ein Kabinett- und Spätlese-Jahr“, so Henning Seibert, Vorsitzender des Moselwein e.V. Wie andernorts hatten die Reben schon kräftig ausgetrieben, als der April-Frost zuschlug – besonders heftig an Saar, Ruwer und im Raum Trier, wo in manchen Lagen nichts mehr oder nur ein Bruchteil des Üblichen geerntet werden konnte. An der gesamten Mosel waren Rebflächen betroffen, vor allem in Seitentälern. In vielen Weinbergen gab es zumindest in Teilen Einbußen bis zu 50 Prozent. Der vom Regen verursachte Krankheitsdruck forderte die Winzer ebenso wie das heftige Rebenwachstum. An der Mosel erinnern sich viele nicht an ein derart arbeitsreiches und kostenintensives Jahr. Wegen der vielerorts verzögerten Entwicklung der Reben zog sich die Ernte über rund zwei Monate bis Ende Oktober hin. Große Ertragseinbußen gab es wegen des feuchten Wetters eher bei früher reifenden Sorten wie Müller-Thurgau oder den Burgundern, während der Elbling „relativ gute Erträge“ von durchschnittlich 100 Hektolitern je Hektar verbuchte und der später reifende Riesling noch von milden Tagen und kühlen Nächten im September und Oktober profitierte. Der Riesling, der 62 Prozent der Rebfläche des Anbaugebiets bedeckt, erreichte meist Mostgewichte zwischen 70 und 80 Grad Oechsle, Werte von 90 Grad waren eher selten. Eine Spanne „von frischen Qualitätsweinen bis zu trockenen Spitzengewächsen“ erwartet der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Mosel, Dr. Maximilian Hendgen. Insgesamt werden 510.000 Hektoliter Weinmost erwartet, 30 Prozent weniger als 2023. Rote Sorten wie Spätburgunder und Dornfelder kamen in Summe auf rund 30.000 Hektoliter, weniger als die Hälfte des Ertrags von 2023.

Nahe (4.250 ha)

Eiskalter Nordostwind hat im April für eine ungewöhnliche Verteilung der Frostschäden in den Weinbergen an der Nahe gesorgt. Während die klassischen Spätfrostlagen in den tiefen Senken oft verschont blieben, „weil der Wind da einfach gar nicht hingekommen ist“, seien in der Regel „windoffene“ Lagen „mitten am Hang“ sehr stark betroffen gewesen, so der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Nahe, Harald Sperling. Das habe es so in der Art auch fast noch nicht gegeben, wie Winzer berichteten. Die Spätfröste trafen auf Reben, die dank Wärme und guter Wasserversorgung früher ausgetrieben hatten, und dies vor allem an der oberen Nahe, zwischen Oberhausen und Niederhausen, wo es sechs Tage lang Temperaturen unter null Grad gab. Die Ausfälle hätten bis zu 90 Prozent betragen, bei einzelnen Winzern sogar 100 Prozent, berichtet Sperling. Die Weinberge seien „schwarz“ gewesen, „da kam auch nichts mehr“. In Richtung Bad Kreuznach nahmen die Schäden ab. Auf einen regenreichen Mai folgten die warmen und feuchten Monate Juni und Juli, in denen die Winzer wegen drohender Mehltau-Infektionsgefahr die Reben schützen mussten. Richtig trocken sei es dann erst im August geworden, so Sperling, „das war auch gut so“, denn zur Lese im September und Oktober habe es dann vereinzelt wieder geregnet, was die zu einer relativ zügigen Weinlese geführt habe. Ersten Schätzungen zufolge sank die Weinmostmenge im Vorjahresvergleich um 15 Prozent auf 265.000 Hektoliter. Mit der Qualität sind die Winzerinnen und Winzer Sperling zufolge aber zufrieden. Es werde mehr Qualitäts- als Prädikatswein geben, das Verhältnis werde auf 80 zu 15 Prozent geschätzt. „Ich denke, das sind frische, fruchtige Weintypen, letztendlich auch nicht zu alkoholgetragene Weine“, so Sperling. Der Riesling, die Nummer eins unter den weißen Rebsorten an der Nahe, sei auf Mostgewichte zwischen 74 und 83 Grad Oechsle gekommen, Müller-Thurgau auf 69 bis 76 Grad, es seien aber auch 90 Grad gemessen worden, etwa bei Burgundern.

Pfalz (23.793 ha)

Auch in der Pfalz hatten die Winzerinnen und Winzer 2024 mit Wetterkapriolen zu kämpfen, aber die Verluste fielen insgesamt deutlich geringer aus als bei vielen anderen, und das Ergebnis stimmt viele Winzer zufrieden. Der Frost habe zwar zwei oder drei Gemarkungen heftig getroffen, die Schäden hätten sich pfalzweit aber „im Rahmen gehalten“, so Weinbaupräsident Reinhold Hörner. Zudem suchte der Hagel das zweitgrößte deutsche Anbaugebiet seltener heim als sonst: Die Hagelabwehr kam auf nur fünf Einsätze, üblich sind Hörner zufolge bis zu 25. Nach frühem Austrieb und früher Blüte sorgte die Kälte laut Pfalzwein e.V. dann in Mai und Juni für Verzögerungen, bevor im Sommer wiederholte Regenphasen Infektionen durch den Falschen Mehltau förderten und viele Pflanzenschutzeinsätze nötig machten. Der Aufwand betrug laut Hörner das Anderthalbfache des Üblichen. In der Südpfalz, wo die Blüte später einsetzte als in der nördlichen Mittelhardt, fiel die Ernte ein Drittel geringer aus als 2023. Nach der frühen Lese, die wegen Wetterumschwungs im September zügig beendet wurde, flossen etwa 2,2 Millionen Hektoliter Weinmost in die Keller, vier Prozent weniger als im Vorjahr. Die Experten heben die Qualität der Burgunder aus dem Süden und der Rieslinge aus dem Norden hervor – und fühlen sich an „klassische Jahrgänge“ aus den 1990er und 2000er Jahren erinnert, „mit feiner Fruchtaromatik und prägnanter Säure bei niedrigen Alkoholwerten“. „Die farbkräftigen Rotweine weisen eine reife und ausgeprägte Tanninstruktur auf“, sagt Prof. Ulrich Fischer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz. „Die intensive Aromatik zeigt die positiven Auswirkungen einer längeren Vegetationsperiode, die von keiner Stagnation durch Trockenheit unterbrochen wurde.“ Hörner sagt, es sei genau die richtige Menge für den Markt - „nicht zu viel und nicht zu wenig“ und auch vom Aromaprofil und der Typizität her das, was man gut verkaufen könne. Deshalb sei man rundum glücklich, „da passt alles“.

Rheingau (3.207) ha

Der Spätfrost hat auch im Rheingau Spuren hinterlassen, die aber vergleichsweise „glimpflich ausgefallen“ sind. Mit schätzungsweise 222.000 Hektolitern lag die Weinmosternte nur ein Prozent unter dem Vorjahreswert. Dass die Frostschäden nicht größer waren, ist auch der Form der Landschaft und der Lage am Rhein zu verdanken. „In den meisten Fällen war es durch die Topographie wirklich so, dass die Kaltluft abfließen konnte, die ist dann durch den Rhein abtransportiert worden“, sagt der Geschäftsführer des Rheingauer Weinbauverbandes, Dominik Russler. Schäden habe es in „klassischen Frostlagen“ gegeben, wo sich die Kaltluft gestaut habe. Komplettausfälle gab es kaum, allerdings kam es während der fast zweiwöchigen Blüte stellenweise zu Verrieselungen. Regelmäßiger Regen verlangte viel Pflanzenschutz, was in Steillagen zu Schwierigkeiten geführt habe, weil man teils nicht richtig habe fahren können, so Russler. Andererseits habe es dort diesmal keine Probleme mit der Wasserversorgung gegeben, so dass sich alles „ein bisschen ausgeglichen“ habe. Vorfälle mit Botrytis gab es laut Russler bis zum einsetzenden Regen Mitte September kaum. Zuvor wurden die Burgunder und andere frühe Sorten schnell und überwiegend gesund geerntet, während sich die Reifung des Rieslings hinzog. Die Rebsorte, die etwa drei Viertel der Fläche im Rheingau bedeckt, wurde hauptsächlich ab Oktober gelesen und kam Russler zufolge überwiegend auf Oechsle-Werte zwischen 80 und 85 Grad sowie auf einen normalen oder gar höheren Ertrag, während die Burgundersorten „fast flächendeckend“ sehr geringe Erntemengen lieferten, teilweise habe man nur die Hälfte des Erwarteten eingefahren. Russler zufolge waren die Rieslingtrauben sehr reif und aromatisch. Er erwartet „sehr fruchtige, auch sehr vom Terroir geprägte Weine mit einem gut bekömmlichen Alkoholgehalt“. Bei diesem Weintyp könne der Boden und die Rebsortentypizität besser herauskommen. Auch von den Fruchtsäuregehalten sei es „ein sehr, sehr ausgewogener und vor allem sehr harmonischer Jahrgang“. Fazit: „Glück im Unglück.“

Rheinhessen (27.499 ha)

Rheinhessen ist nicht nur das größte, sondern auch das einzige deutsche Weinbaugebiet, das in diesem Jahr einen Erntezuwachs verzeichnet. Ersten Schätzungen zufolge fielen 2,58 Millionen Hektoliter Weinmost an, das sind sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Das Plus resultiere allerdings daraus, dass die Ernte 2023 wegen Hagelschäden im Wonnegau kleiner gewesen sei, sagt Weinbaupräsident Jens Göhring. Hagel spielte 2024 in Rheinhessen kaum eine Rolle, aber der April-Spätfrost setzte auch hier stellenweise den Reben zu, die wegen warmen Wetters knapp zwei Wochen früher „dran“ waren. Vor allem entlang der Rheinterrasse und im Dreieck zwischen Bingen, Gau-Bickelheim und Ingelheim kam es nach Angaben des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück „zu teils erheblichen Schäden mit bis zu 100 Prozent Ertragsausfall“. Das Ausmaß sei aber insgesamt „recht überschaubar“, so Göhring, man sei „relativ gut weggekommen. Während der Blüte im Juni sorgte laut DLR kühles Wetter für Verrieselungen, zudem herrschten „ideale Witterungsbedingungen“ für Echten und Falschen Mehltau. „Es war wichtig, beim Pflanzenschutz am Ball zu bleiben, da konnte man sich nicht so viele Fehler erlauben“, sagt Göhring. Wasser und Wärme förderten aber auch die Reife der Trauben, bei denen es im heißen August auch Fälle von Sonnenbrand gab. Zu Beginn der von Anfang September bis Anfang Oktober laufenden Hauptlese lagen die Mostgewichte laut DLR leicht über dem Mittel, wovon die Burgundersorten profitierten, bevor der September-Regen die Oechsle-Grade „eher in Richtung der Norm“ brachte. Insgesamt seien die Mostgewichte zufriedenstellend und die Erträge sehr gut, so das DLR. Erwartet werden „fruchtbetonte Weine mit moderaten Alkoholgehalten und spritziger Säure“. „Der Jahrgang war eigentlich sehr entspannt und die Weine sind super“, so Göhring.

Saale-Unstrut (853 ha)

Im nördlichsten deutschen Weinbaugebiet Saale-Unstrut war es nach einem warmen Frühlingsauftakt in der Nacht zum 23. April bis minus sechs Grad kalt geworden – mit gravierenden Folgen für die Reben, die so früh ausgetrieben hatten wie seit Jahrzehnten nicht. Der Frost suchte rund 90 Prozent der Weinberge heim und richtete vielerorts massive Schäden an. Die Hoffnung, dass ein zweiter Austrieb im Mai noch eine halbe Ernte zulässt, musste nach Angaben des Weinbauverbandes nach unten korrigiert werden, denn der Traubenansatz war gering. Zu den eingetrübten Aussichten kam bei viel Regen und schwülwarmem Wetter reichlich Mehrarbeit, verursacht durch Mehltaukrankheiten, heftiges Blattwachstum der Reben sowie unterschiedliche Reifegrade innerhalb einzelner Rebstöcke. Als Anfang September planmäßig die Lese der frühen Sorten Frühburgunder, Ortega und Solaris begann, blieb Federweißer Mangelware, denn viele Winzer entschieden, die wenigen Trauben lieber für Wein zu verwenden. Bei der vierwöchigen Lese in der vom Weißwein geprägten Region zeigte sich, dass vor allem pilzwiderstandsfähige Sorten den extremen Wetterbedingungen besser trotzen konnten. Die Ernteverluste reichten von 70 bis 90 Prozent und sorgten für „erheblichen wirtschaftlichen Druck“ in vielen Betrieben. Insgesamt schrumpfte die geschätzte Weinmosternte im Vorjahresvergleich um 73 Prozent auf 13.000 Hektoliter. Bundesweit gesehen ist dies der größte prozentuale Rückgang. Die Menge entspricht nur etwa 20 bis 25 Prozent einer normalen Ernte, wie der Vize-Vorstandsvorsitzende des Weinbauverbands, Andreas Clauß, sagt. Der neue Jahrgang, der nach Clauß' Angaben Mostgewichte um die 80 Grad Oechsle und deutlich darüber erreichte, könne das hohe Qualitätsniveau der Vorjahre halten. „Die Jungweine entwickeln sich gut und weisen eine markante Fruchtsäurestruktur auf, die den Weinen eine frische, lebendige Note verleihen wird“, heißt es. Wegen Reifedifferenzen und geringer Mengen seien in diesem Jahr mehr Roséweine als Rotweine produziert worden. Insgesamt werden qualitativ hochwertige Weine erwartet, die das typische Geschmacksprofil der Region auszeichnen. Die Weinliebhaber müssten sich aber bei Verkaufsbeginn im Frühjahr beeilen, noch etwas davon abzubekommen.

Sachsen (522 ha)

„Eine Herausforderung hat die nächste gejagt.“ So beschreibt der Vorsitzende des Weinbauverbandes Sachsen, Felix Hößelbarth, das aktuelle Weinjahr im östlichsten deutschen Anbaugebiet. Los ging es mit dem Spätfrost, der im April an den steilen und terrassierten Hängen des Elbtals flächendeckend Reben schädigte – und den Winzern mit schätzungsweise 9.000 Hektoliter Weinmost die kleinste Ernte seit Jahrzehnten bescherte: 70 Prozent weniger als im Vorjahr und etwa 20 bis 30 Prozent einer „normalen Ernte“. Aber: Die Qualität der geernteten Trauben sei „sehr zufriedenstellend“, so Hößelbarth. Nach seinen Angaben hatten die Reben wegen des warmen Frühjahrs bereits im März mit dem Austrieb begonnen und schon zehn bis 20 Zentimeter große Triebe, als die Eiseskälte zuschlug. „Das hat den Frost so dramatisch gemacht.“ Nach etwa zwölf Tagen waren in einigen geschädigten Anlagen dann erste Austriebe aus den Beiaugen zu erkennen. Ab der zweiten Junihälfte mussten in einer warmen und feuchten Phase vorübergehend der Echte und der Falsche Mehltau bekämpft werden, später machte sich die Kirschessigfliege bemerkbar. Weil es von Juni bis August überdurchschnittlich warm war, konnten die Trauben der zweiten Generation in der Entwicklung aufholen. Eine Hitzewelle von Ende August bis 8. September mit Nachttemperaturen nicht unter 22 Grad beschleunigte die Traubenreife, sorgte aber auch für einen schnellen Säureabbau. Die Lese der frühreifen Sorten begann deshalb bereits Anfang September, deutlich früher als wegen der Frostschäden zunächst erwartet. Kühle und feuchte Witterung sorgte vom 8. September an für eine bessere Aromaausbildung und einen ausgewogenen Säuregehalt, beschleunigte aber auch die Lese. In den meisten Betrieben war die Ernte bereits Ende September abgeschlossen, in einigen Weingütern Ende Oktober. „Ganz große Verlierer“ des Frosts sind laut Hößelbarth Sorten wie Dornfelder und Traminer, „da hing stellenweise gar nichts“, die Burgunder hätten den Frost „mittelmäßig“ verkraftet, und der Riesling habe noch für ein bisschen Ertrag gesorgt. Interessant sei, dass die neuen PIWI-Sorten noch auf 40 bis 50 Prozent einer Normalernte gekommen seien. Erwartet würden nun sehr gute, frische, fruchtige, aromatische Weine, wie man es sie im Weißweinbereich in den nördlichen Anbaugebieten kenne.

Württemberg (11.392 ha)

Nach einem Spätfrost ungekannten Ausmaßes im Anbaugebiet Württemberg könnte der Trollinger als „Gewinner“ aus dem Weinjahr 2024 hervorgehen. Zu dieser Ansicht kommt der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Württemberg, Dr. Hermann Morast, bei Betrachtung der Sorte. „Ich glaube, dass es in diesem Jahr viele Weine aus Trollingertrauben geben wird, die den Kundenansprüchen maximal gerecht werden, indem sie für eine schöne Fruchtigkeit, für eine leichte Farbe und gleichzeitig auch für einen moderaten Alkoholgehalt stehen“, so Morast. Generell sei man sehr zufrieden mit den geernteten Qualitäten, bei denen man zunächst mit dem Schlimmsten habe rechnen müssen. Der Frost hatte zwischen dem 21. und dem 26. April im halben Anbaugebiet Schäden verursacht, die örtlich unterschiedlich groß ausfielen, bis hin zum Totalausfall der Ernte. Dieses Flächenausmaß habe man so nicht gekannt, sagt Morast, nach dessen Angaben der Austrieb extrem früh erfolgt war. In den Wochen nach dem Frost wuchsen dank guter Bedingungen kompakte Trauben mit überdurchschnittlich großen Beeren heran, allerdings machten sich bei Wärme und feuchten Böden Echter und Falscher Mehltau bemerkbar, was die Winzer zum Handeln zwang und die biologisch arbeitenden Betriebe „erneut an ihre Grenzen“ gebracht habe. Nach einem heißen August begann um den 10. September herum die Lese, die wegen Regens schnell beendet wurde. Die Ernteergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus, Schätzungen zufolge schrumpfte die Menge im Vorjahresvergleich insgesamt um ein Viertel auf 614.000 Hektoliter. Was die Leitrebsorte Riesling und andere Weißweine angehe, sei er zuversichtlich, dass man „sehr fruchtige, aber vor allem auch mineralische Weine“ erwarten dürfe, so Morast. Zudem könne man sich „auf qualitativ sehr hochwertige Rotweine“ freuen, etwa beim Lemberger, der eine sehr positive Farbausprägung habe. „Ich glaube, dass wir hier, auch aufgrund der geringen Mengen, nicht nur marktgerecht, sondern auch qualitativ überdurchschnittlich produziert haben.“ Beim Trollinger gebe es Qualitäten, „die aufhorchen lassen“.

 

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